Norman White, Preisträger 2008
Mit Norman White hat der |DDAA| eine neue Richtung eingeschlagen. Seine Skulpturen, Wandobjekte und Roboter haben bei Kennern schon früh für Furore gesorgt und gelten als etablierte Größe im Bereich neuer Medienkunst. Durch seine über 30-jährige Lehrtätigkeit hat er entscheidend zur Ausbildung der nächsten Generation von Medienkünstlern beigetragen.
Das Statement der Jury zum Preisträger 2008
Norman T. White ist der Preisträger des dritten d.velop digital art award 2008. Die Jury freut sich, einem der einflussreichsten Pioniere der elektronischen Kunst den diesjährigen Award verleihen zu können. Seit Jahrzehnten bereichern seine Maschinen- und Roboterschöpfungen die Diskurse zur Kunst und Wissenschaft der „Neuen Medien“. Nicht zuletzt seine neugierige Experimentierfreudigkeit hat Norman T. White in den letzten Jahrzehnten befähigt, die Gegenwartskunst immer an der „cutting edge“ ihrer Weiterentwicklung mit zu gestalten und in unterschiedlichen Feldern der elektronischen Kunst richtungsweisende Werke zu entwickeln. Dem Fragenden und experimentellen Grenzgänger eröffnet nur die künstlerische Sicht die vielfältigen Räume und die Transdisziplinarität, die ihm generalistische Antworten ermöglichen. „Art comes alive only when it provides a framework for asking questions … I would rather ask questions that simultaneously address a multitude of worlds ... from living organisms to culture to confusion and rust. Only art can give me that generality.“
Zum Ende der 1960er Jahre experimentiert Norman T. White noch vor der Ära der Computer mit Kinetischer Elektronik. Kybernetik und die nichtlinearen Systeme der Chaosforschung beeinflussen damals die wissenschaftlichen Diskurse. Er erschafft die ersten zellulären Automaten („First Tighten Up on the Drums“, 1969) oder „Four-Letter Word Generator“, 1974), die mit Hilfe wechselwirkender elektronischer Schaltkreise komplexe Musterbildungen generieren. Ganz nebenbei erfindet er die heute auch wirtschaftlich in den Anwendungen der „Digital Signage“ so bedeutsamen elektronischen Anzeigetafeln („Splish Splash 2“, 1975) und zeigt schon damals, welch komplexes Verhalten Kunst und Wissenschaft aus „simple principles“ generieren können.
Computer sind für Norman T. White nicht nur ständig potenter werdende Werkzeuge. Schon seinen ersten Computer benutzt er – anders als viele aus der Avantgarde der Medienkunst - nicht nur als Bildgenerator. Er versteht Computer als beliebig programmierbare Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine, und als universale Gehirne für Roboter. Computer sind für ihn keine willfährigen Werkzeuge, die die Kreativität begrenzen, sondern „fun-house mirrors“. Sie erlauben es ihm, seine Leidenschaft für Maschinen und sein Interesse am Verständnis der menschlichen Wahrnehmung zu verknüpfen. Mit Fug und Recht darf Norman T. White als einer der frühen Netzwerkkünstler gesehen werden. Das Telekommunikations-Event „Hearsay“ (1985) war genauso wie das kollaborative Telekommunikationsprojekt „Telephonic Arm Wrestling“ (1986) ein Cyberspace-Experiment zur Telepräsenz vernetzter Interakteure der ersten Stunde kinästhetischer Kunst.
Norman T. White hat eine große Zahl von Roboterkunstwerken realisiert, die in der Regel ein fortdauernder Werkprozess mit offenem Ausgang sind. Beginnend mit „Facing Out Laying Low“ (1977) bis zum „The Helpless Robot“ (1987–96) entstehen vor allem interaktive Roboterinstallationen, die viele Fragen der Mensch-Maschine-Interaktion, der menschlichen Perzeption oder auch der künstlichen Intelligenzforschung ihrer Zeit kongenial hinterfragen und den Besucher spielerisch zu Auseinandersetzungen anregen. Der künstlerischen und ambivalenten Natur von Whites robotischen Werken entsprechend, begegnet der Betrachter und Interagierende in den Robotern auch seinen eigenen, teils anerzogenen, teils archaischen Verhaltensmustern.
Um den Mechanismen des Kunstbetriebs zu entgehen, präsentiert Norman T. White seine Arbeiten vornehmlich im sozialen Raum, wo sie quasi anonym einem unvorbereiteten Publikum entgegen treten. Dazu passt sein bis heute unermüdliches Engagement in der „Rawbotics“ und den von ihm mit erfundenen „Sumo Robot Challenges“ (Ontario College of Art & Design OCAD). Er selbst beschreibt sein Vergnügen daran knapp und prägnant: „One of the ways in which my friends, my students, and I mix computer software, electronics, and mechanics – and have fun doing it – is building machines which bash, taunt, and insult each other.”
Was kann neben seinen eigenen wegweisenden Kunstwerken besser die Rolle Norman T. White als einem der einflussreichsten Paten auf dem Gebiet der Genre übergreifenden elektronischen Kunst belegen, als die große Zahl seiner Schüler? Viele Gegenwartskünstler hat er mit seinen Ideen nachhaltig beeinflusst. Künstler wie Lois Andison, Doug Back, Peter Fleming, Simone Jones & Lance Winn, Jeff Mann and David Rokeby, die alle in seiner Retrospektive „Norm’s Robots and Machine Life“ im Jahre 2004 im Agnes Etherington Art Centre, Kingston Ontario, auftraten, sind nur ein kleiner Ausdruck der Strahlkraft seiner Arbeiten. Seine jährlichen Partys in Normill nahe Toronto sind legendäre Treffpunkte einer internationalen Künstlerszene, in der die Ideen von Norman T. White auch im Jahr seines 70sten Geburtstags jung gehalten werden.
Für die Jury Dr. Michael Klein, Frankfurt am Main, 18.05.2008